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Bosch in Österreich
#TalkNerdyToMe

Michael Baumann über Prototyping bei Bosch

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Mit der Serie #TalkNerdyToMe stellen wir euch Fachleute aus verschiedenen Bereichen vor und geben einen Einblick in ihre Arbeit. Diesmal sprechen wir mit Michael Baumann, Experte für Connectivity Solutions bei Bosch Engineering.

Hallo, Michael! Erzähl uns doch mehr zum Thema Prototyping!

In meinem Job geht es um Datenverarbeitung und -analyse auf Connectivity-Steuergeräten. Aufgrund der Tatsache, dass Systeme immer weiter zusammenwachsen und komplexer werden, wird es immer schwieriger innovative Lösungen in einem Gesamtsystem zu finden. Wegen der daraus resultierenden hohen Systemkomplexität, ist man dazu übergegangen Prototypen zu erstellen. Prototypen ermöglichen es, komplexe Sachverhalte und Verbindungen zu analysieren und Kundenwünsche präzise herauszuarbeiten. So wird geklärt welche Hardware- und Software-Bausteine für das endgültige Produkt benötigt werden. Den fertigen Prototypen kann man dann in unterschiedlichen Umgebungen testen, zum Beispiel in einer Klimakammer, um extreme Bedingungen wie in der Wüste oder extreme Kälte zu simulieren. Auch das Verhalten von Connectivity-Produkten in verschiedenen Ländern kann mit Hilfe von Prototypen getestet werden. Anschließend wird mit dem Kunden abgestimmt, welche Adaptierungen noch vorgenommen werden müssen beziehungsweise ob das Produkt so produziert werden kann.

Erkläre uns den Begriff „Minimal Viable Product (MVP)“. Warum ist das für die Zukunft wichtig?

Beim Minimal Viable Product (MVP) geht es darum, die aufs Essentiellste reduzierte Version des Endprodukts herzustellen. Diese minimalisierte Version muss natürlich trotzdem den Kundennutzen erfüllen – man lässt dabei nur alles weg, was nicht zwingend notwendig ist. Mit dem MVP kann sehr schnell getestet werden, wie das Produkt am Markt angenommen wird und wie die Marktresonanz ist. Auch Wünsche von Kunden bezüglich Farben, Berechnungsarten von Messwerten oder Ähnlichem können dadurch frühzeitig eingearbeitet werden. Auch in Zukunft ist diese Vorgehensweise erfolgsversprechend, weil die Produktentwicklungszyklen weiter verkürzt werden, während die Komplexität der Systeme steigt.

Was fasziniert dich an dem Thema am meisten?

Man kann sehr schnell Ideen und Innovationen auf ihre Markttauglichkeit überprüfen. Wie reagiert der Markt auf dieses Thema? Wie reagiert der Markt auf neue Sichtweisen?

Das finde ich sehr spannend, da es sich bei jedem Thema anders verhält – ob man nun einen Luftsensor oder eine Connectivity-Lösung entwickelt. Weiters begeistert es mich, wie die Kunden im Entwicklungsprozess des MVPs ihre Ideen konkretisieren. Alle Kundenanforderungen sind einzigartig und brauchen dementsprechend eine andere Art von Support. Ich kann meiner Kreativität freien Lauf lassen, um die Kundenwünsche zu erfüllen. Das macht wahnsinnigen Spaß.

Was macht Bosch in dem Bereich?

Bei Bosch arbeiten wir nicht nur mit namhaften Automobilherstellern, sondern auch mit den großen Telekommunikationsunternehmen und zahlreichen aufstrebenden Start-Ups eng zusammen. Unser Ziel ist es, all diese Bereiche zu vernetzen. Das Fahrzeug wird immer mehr zu einem Kommunikationselement und damit fließen auch die Themen der digitalen Keyplayer in diesen Bereich ein. Das heißt aber nicht nur eine Änderung des bisherigen Verständnisses für Fahrzeuge, sondern auch eine Transformation in der bisherigen Arbeitsweise. Hier legt Bosch hohen Wert darauf, die Arbeitsbedingungen stets zu verbessern. Das fängt bei agilen Arbeitsmethoden an, geht über Kreativräume, in denen man auch ungewöhnliche Ansätze verfolgen kann, bis hin zu Zeit für Weiterbildung, um sich Gesprächs- oder Interviewtechniken anzueignen. Die organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen bei Bosch unterstützen den Wandel hin zu einem digitalen Unternehmen.

Was hat dein Job mit dem Thema zu tun?

Ich habe vor rund zehn Jahren in der klassischen Automotive-Funktionsentwicklung bei Bosch begonnen, wo ich mich mit der Softwareentwicklung von Steuergeräten beschäftigt habe. Dort habe ich immer mehr erkannt, dass das Steuergerät für sich nicht aussagekräftig ist. Die Gesamtzusammenhänge der Systeme im Fahrzeug bzw. außerhalb des Fahrzeuges definieren die eigentliche Mobilitätslösung.

Durch den technologischen Wandel bei Bosch ist es notwendig, das persönliche Netzwerk weiter zu stärken, um die bestehenden und in Entwicklung befindlichen Lösungen zu kennen und zielgerichtet einzusetzen. Dazu habe ich gelernt, wie man Projekte erfolgreich führt und ich meine sozialen Fähigkeiten einsetzen kann.

Das Interessante an meinem Job ist, dass neue Themen und Gebiete auftauchen, an die man vor wenigen Jahren noch nicht einmal ansatzweise gedacht hat. Daran aktiv teilnehmen und mitgestalten zu können ist unglaublich spannend. Auch der Austausch mit den verschiedenen Entwicklungsteams aus der ganzen Welt bringt neue Sichtweisen und Eindrücke.

Mittlerweile bin ich Fachreferent für das Thema Connectivity Solutions. In dieser Funktion fungiere ich als Bindeglied zwischen Kunden und Bosch. Die Kunden kommen mit einer Anfrage zu uns, ich versuche ihre Anforderungen herauszuarbeiten, zu hinterfragen und zu verbessern. Diese Anforderungen leite ich dann an mein Team weiter, um so den Kunden den besten Prototypen liefern zu können. Vereinfacht gesagt sitze ich in vielen Meetings. Es gibt viele Abstimmungen mit dem Team, Software-Architekturentscheidungen, Reviews aber auch Themen zur Selbstorganisation des Teams. Quer durch die Bank - das macht es so spannend. Es ist ein herausfordernder Job, der genau in die Themen und die Dynamik der aktuellen Zeit passt.

Was muss man für deinen Job können?

Natürlich ist es wichtig, fachlich versiert zu sein und stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. Man muss verstehen können, was auf Systemebene und in den einzelnen Komponenten passiert. Doch vor allem Kommunikation ist das A und O, so banal es klingt! Oft ist es schwierig, die Anforderungen des Gegenübers klar zu verstehen. In solchen Situationen benötigt man das nötige Gespür, die passenden Techniken und die richtigen Fragen, um herauszufinden, was der Prototyp tatsächlich mitbringen soll. Die ausgearbeiteten Wünsche und Ideen müssen anschließend so formuliert werden, dass sie von einer dritten Person umgesetzt werden können. Daher ist es auch wichtig, dass man das nötige Know-How zum Verfassen von Requirements hat. Darüber hinaus muss man gut genug vernetzt sein, um zu wissen, wer die richtigen Leute im Unternehmen sind, um das passende MVP zu erstellen.

Persönlich muss man offen für Neues sein, verrückte Ideen zulassen, alles anhören und sich aktiv andere Perspektiven verschaffen, um die Argumente anderer zu verstehen.

Was ist das größte Missverständnis in dem Bereich?

Die Aussage: „Ein MVP, das funktioniert, ist zu 100 % fertig und kann verkauft werden‘‘.

Das ist deswegen ein Irrglaube, weil das MVP eben keinen Vollständigkeitsanspruch erhebt, sondern viel mehr darauf abzielt, die aufs Essentiellste reduzierte Version des Endprodukts herzustellen.

Wir bei Bosch haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch an die Produkte und da fließt natürlich nach der Entwicklung des MVP, noch ein großer Mehraufwand in die Produktentwicklung hinein, sei es zu den Themen Security, Safety, Lizensierung oder Zertifizierung. Man muss also im Hinterkopf behalten, dass es sich bei dem MVP um das absolute funktionale Minimum handelt, um den Kundennutzen abbilden zu können. Alles Weitere ist ausgeblendet und muss in der Serienentwicklung noch fertiggestellt werden.

Erzähl uns eine Anekdote aus deiner Bosch-Zeit!

Ein Kunde wollte eine Connectivity-Lösung haben. Um herauszufinden, welche Anforderungen der Kunde hat, haben wir gemeinsam einen Workshop veranstaltet. Er war von Beginn an euphorisch und hat direkt mehrere Whiteboards mit seinen Ideen befüllt. Es sah sehr chaotisch aus, doch ich wollte seinen Elan nicht bremsen und ließ ihn daher seine kreative Phase ausleben. Nach einer Zeit beendete er seine Ausführungen. Im Normalfall hätte ich dann angefangen, die Notizen abzuarbeiten, doch durch die vielen Inputs fehlte der Überblick. Also beschloss ich, am Ende zu starten und fragte: „Wenn ich der End-User bin, was muss ich tun, um die Software nutzen zu können?“ Die Antwort des Kunden war gleichermaßen überraschend wie aufschlussreich: „Ja, ich habe jetzt nicht an den Kunden gedacht, aber du hast eigentlich recht“. Diese Überlegung hat den Grundstein gelegt, die Anforderungen des Kunden zu spezifizieren und seine Gedanken zielgerichteter zu formulieren und das ist auch ein Learning, dass ich mir mitgenommen habe: Bei allem Elan und allen Ideen, sollte man nie den Nutzen und die Usability für die End-User aus den Augen verlieren. Mit diesem Erfolgsrezept haben wir es dann gemeinsam geschafft, dass der MVP ein voller Erfolg wurde.

Wer ist als Nächstes dran und mit welchem Thema?

Alina Godun wird nächstes Mal über Data Science bei Bosch erzählen.

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